BEITRAG

Breite Front gegen PID
Weil in den Medien vor allem Wissenschaftler zu Wort kommen, die sich für eine Zulassung der umstrittenen Präimplantationsdiagnostik aussprechen, drohen derzeit Stimmen unterzugehen, die für ein Verbot der PID plädieren. Dies ist umso bedauerlicher, als diese Stimmen aus ganz unterschiedlichen Spektren der Zivilgesellschaft stammen und ständig zunehmen. Unter ihnen befinden sich nicht nur die beiden großen christlichen Kirchen, sondern auch Sozialverbände, Hilfsorganisationen, Behindertenvereinigungen, Jugendverbände und medizinische Interessensvertretungen.
So weist etwa die Bundesvereinigung Lebenshilfe darauf hin, dass das Erfolgsversprechen der PID nur in wenigen Fällen auch tatsächlich eingelöst werden könne: „Lediglich ein knappes Drittel der Frauen bringt nach mehreren Zyklen künstlicher Befruchtung ein Kind zur Welt. Von diesen Kindern wird ein Drittel zu früh geboren, was mit gesundheitlichen Risiken verbunden ist. Durch die künstliche Befruchtung tragen nach Expertenmeinung drei Prozent der Kinder schwere Schäden davon“, heißt es in einer Stellungnahme vom Januar 2011 der Interessenvertretung für die Belange von Menschen mit Behinderung. Und der Bundesvorsitzende der Lebenshilfe Robert Antretter erklärt: „Dem geringen Erfolg der PID stehen massive ethische Probleme gegenüber. Denn eine Methode, die auf der Selektion von Embryonen beruht, verletzt die Menschenwürde.“
Auch das Kolpingwerk Deutschland, das nach eigenen Angaben 265.000 Mitglieder zählt, sieht in der PID einen Verstoß „gegen die Achtung der Menschenwürde und das im Grundgesetz festgelegte Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ Außerdem verletzte diese Diagnostik das grundgesetzlich festgeschriebene Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung, „wenn das Leben eines Embryos wegen eines auffälligen genetischen Befundes vernichtet wird“, so der Wortlaut einer Erklärung des katholischen Sozialverbandes vom November 2010. Die Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens verbiete jede Selektion von Embryonen. Weiter heißt es: „Nach unserer Verfassung ist menschliches Leben einzigartig, wertvoll und uneingeschränkt schützenswert – unabhängig von Behinderungen oder Krankheiten.“ Die Diskussion um die PID mache erneut deutlich, dass der Schutz jeglichen Lebens im Vordergrund stehen müsse. „Das Akzeptieren von Unvollkommenheit und Unverfügbarkeit des Lebens müssen wir in einer Gesellschaft, in der allzu häufig die perfekte Programmierbarkeit des Lebens unterstellt wird, neu erlernen“, fordert das Kolpingwerk.
Die Lebensrechtler in Deutschland lehnen eine Zulassung der PID ebenfalls strikt ab. In einer Stellungnahme des Bundesverbandes Lebensrecht (BVL) heißt es, die PID sei ein „Persilschein zur Selektion und Tötung menschlichen Lebens“, wenn mögliche Behinderungen bestehen könnten. Die mögliche Konsequenz der PID sei „die Tötung eines bereits vorhandenen und heranwachsenden Menschen. Dieser ist nicht nur eine befruchtete Eizelle, sondern jeweils ein einmaliger, nicht austauschbarer Mensch“, betont der BVL. Politiker verdienten eine breite Unterstützung, wenn sie ein konsequentes Verbot der PID forderten und damit den schutzlosen Embryo auch im Labor schützen wollten. „Ein ‚Nein‘ zum Leben von eventuell Behinderten ist keine humane Alternative. Wer anderes behauptet, verrät das Leben und die Unantastbarkeit der Menschenwürde“, so der Verband, unter dessen Dach sich 14 deutsche Lebensschutzgruppen zusammengeschlossen haben.
Darüber hinaus sind zahlreiche mit dem Thema Präimplantationsdiagnostik befasste Experten für ein PID-Verbot, wie die Ende Februar veröffentlichte „Stellungnahme von Expertinnen und Experten zur geplanten gesetzlichen Regelung der Präimplantationsdiagnostik“ zeigt, die von acht Verbänden und 76 Einzelpersonen unterschrieben wurde. Darin heißt es, in der aktuellen Diskussion „werde die Schutzwürdigkeit menschlicher Embryonen gegen dramatische Einzelschicksale von Paaren mit einer sogenannten genetischen Belastung gestellt.“ Die Expertinnen kritisieren, dass in Debatte nicht thematisiert werde, dass die PID für die Frauen „mit großen Belastungen und Gesundheitsrisiken verbunden ist.“ Zudem sind sie der Überzeugung, dass eine eng begrenzte Zulassung der PID unrealistisch sei und verweisen auf die Praxis der Pränataldiagnostik: „Die Pränataldiagnostik hat sich de facto zu einem allgemeinen Screening vor allem auf das Down Syndrom und Spina bifida entwickelt.“ Letztlich zähle in der Praxis nahezu jede Beeinträchtigung des Kindes als medizinische Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch. Dies wäre erwartungsgemäß bei der PID nicht anders. Zu den Unterzeichnern der Erklärung gehören etwa der Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft, das Gen-ethische Netzwerk, die Gesellschaft für Geburtsvorbereitung, Familienbildung und Frauengesundheit und der Deutsche Hebammenverband, sowie Frauenärztinnen, Krankenpflegerinnen, Hebammen, Sozialpädagoginnen, Familienberaterinnen, Schwangerenkonfliktberaterinnen und Psychologinnen.
In einer ausführlichen Stellungnahme des Deutschen Caritasverbandes spricht sich dieser ebenso für ein umfassendes Verbot der PID aus. In der Erklärung heißt es, in vitro gezeugte menschliche Embryonen bedürften aufgrund der erweiterten Zugriffsmöglichkeiten eines besonderen und uneingeschränkten Schutzes. Zur Wahrung des Rechts auf Leben im Grundgesetz müsse der Gesetzgeber die PID verbieten. „Der Wunsch von Hochrisikopaaren, ein Kind ohne eine bestimmte Behinderung oder Erkrankung zu bekommen, ist sehr nachvollziehbar. Gleichwohl ist die PID aufgrund der Selektion von menschlichem Leben auch in diesem Fall nicht zu rechtfertigen“, heißt es in der Stellungnahme vom November 2010. Die katholische Hilfsorganisation, die mit rund 490.000 Mitarbeitern zugleich der größte private Arbeitgeber in Deutschland ist, sieht auch das Problem der Begrenzung der Indikationen: „Die Erfahrung in verschiedenen Ländern zeigt, dass im Falle einer Zulassung der PID, nur schwer entscheidbar ist, ab wann eine schwerwiegende Erkrankung bzw. ein schwerer genetischer Schaden vorliegt, der die Anwendung einer PID rechtfertigt. Weder eine Beschränkung auf sogenannte Hochrisikopaare, noch das Kriterium der Zumutbarkeit für die betroffene Frau oder ein verbindlicher Indikationenkatalog bietet eine klare Begrenzung der PID“, argumentiert der Caritasverband.
Auch in der jungen Generation wird die PID sehr kritisch gesehen. Die Junge Union Deutschlands etwa hat CDU und CSU aufgefordert, auf ein gesetzliches Verbot der umstrittenen PID zu dringen. Die PID an künstlich befruchteten Embryonen führe unweigerlich dazu, nach wertem und unwertem Leben zu sortieren. „Diese Unterscheidung ist nicht hinnehmbar. Jeder Mensch besitze von Beginn an eine unveräußerliche, personale Würde“, heißt es weiter. Erfahrungen mit der während der Schwangerschaft bereits zugelassenen Pränataldiagnostik zeigten, dass die Anwendungsbereiche jeder neuen Methodik wie der PID stetig ausgeweitet würden. „CDU und CSU müssen daher im Deutschen Bundestag bei der anstehenden Beratung über den Umgang mit der Präimplantationsdiagnostik auf den Schutz des Lebens drängen“, so die Forderung der politischen Nachwuchsorganisation von CDU und CSU.
Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) hat Bundesregierung und Bundestag in einer Stellungnahme vom Februar 2011 ebenfalls aufgefordert, schnellstmöglich eine gesetzliche Neuregelung der PID herbeizuführen. Ziel der Neuregelung müsse ein „ausnahmsloses Verbot“ der PID sein. Da im Anschluss an die PID „in der Regel eine Selektion“ erfolge, werde das „Überleben des Embryos“ bei der PID von seinen „genetischen Anlagen“ abhängig gemacht. Dabei sei nicht die Diagnostik „als solche verwerflich, sondern die Konsequenz – eine qualitative Selektion“. Der BDKJ lehne „jegliche genetische Selektion von Menschen ab“. Der BDKJ ist der größte Dachverband katholischer Kinder- und Jugendverbände in Deutschland und vertritt rund 660.000 Mitglieder in politischen, sozialen und kirchlichen Interessen.
IM PORTRAIT

Matthias Lochner
Matthias Lochner, geboren 1984 in Düren, ist Vorsitzender der Jugend für das Leben (JfdL) in Deutschland.